Am Freitag, den 13.03.2020 wurde in Baden-Württemberg bekannt gegeben, dass die Schulen ab Dienstag, den 17.03.2020 bis zu den Osterferien geschlossen sein werden.
Was für eine Herausforderung für die Schulen, die Lehrer, aber v.a. auch für die Eltern mit ihren Kindern. Der Begriff „Homeschooling“ kam auf. Im Bereich der Regelschulen ja noch irgendwie vorstellbar, aber im Bildungsgang GENT (Geistige Entwicklung)? Was können wir an Unterstützung anbieten, wenn die Schüler nicht zur Schule kommen können und wir nicht zu ihnen fahren dürfen? 50% unserer Schüler im Bereich GENT verfügen über keine verständliche Lautsprache, zwei Drittel der Schüler sind in allen Belangen des Lebens auf Unterstützung angewiesen. Durch den Förderbedarf im Sehen ist es schwierig sich zu orientieren und sich selbstständig zurecht zu finden.
Trotzdem wollten wir unsere Eltern und Schüler nicht alleine lassen.
Erst einmal wurde ganz praktisch organisiert – was brauchen die Schüler zu Hause für Hilfsmittel, also z.B. Orthesen, Stehgeräte, Fahrräder, Gehwagen, etc. Diese wurden nach Hause gebracht oder von den Eltern an der Schule abgeholt.
Ja – und dann? Dann entstand ein buntes Potpourri an „Homeschoolingangeboten“ für unsere sehr individuellen Schüler. Hier ein paar Beispiele aus der Praxis:
Zwei Klassen machen quasi nach Stundenplan Unterricht. Die Lehrkräfte der Klassen schicken je nach Bedarf den Eltern per Post und per Mail Aufgaben zu – wie an anderen Schulen auch. Herausfordernd sind Texte in Punktschrift, diese werden hier in der Schule für die Schüler ausgedruckt und per Post zugeschickt.
Für Schüler, die Symbole (Pictogramme) erkennen und lesen können, wurde Material erstellt. Es gibt tolle Internetseiten, auf denen Lehrer und Eltern Anregungen entnehmen können.
Eine Kollegin schickte Bastelmaterial zum Gestalten eines Frühlingsbildes an die Schüler ihrer Klasse.
Ein Kollege erstellt mehrmals in der Woche kleine Hörspiele die er selbst einspricht und per Mail an die Eltern schickt. Die Eltern können diese dann mit ihren Kindern anhören. Kreativ hat er Taster entwickelt, so dass die Schüler diese mp3 selbst an- und ausschalten können [Bild 1: Mausadapter Oliver]
Ein Schüler hat sich jetzt eine E-Mail-Adresse eingerichtet und ist morgens zu fest verabredeten Zeiten mit seinem Lehrer verabredet. Es werden Aufgaben hin und Fotos von den gelösten Aufgaben zurückgeschickt.
Die Kolleginnen und Kollegen sind mindestens 1x wöchentlich mit den Eltern im Austausch – telefonisch oder per Mail – und stimmen ihre Angebote auf die einzelnen Bedürfnisse ab, hören sich die Sorgen und Nöte an, versuchen aus der Ferne zu beraten und zu unterstützen und gegebenenfalls auch noch Dinge zu organisieren – z.B. das Fahrrad, das aus der Schule zu den Eltern nach Hause gebracht werden muss.
Viele Päckchen und Briefe mit Material wurden gepackt und verschickt. Zu den Ferien gab es Osterbriefe.
Parallel dazu nutzen die Kolleginnen und Kollegen die Zeit konzeptionell zu arbeiten. Konzepte zum Umgang mit herausforderndem Verhalten und zur Unterstützten Kommunikation werden erstellt, Stufenprofile und Curricula aktualisiert und in Form gebracht, schulinterne Prozesse aktualisiert und für alle digital zur Verfügung gestellt. Die Standards des ICFs (ICF ist eine Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation (www.dimdi.de/dynamic/de/klassifikationen/icf/), in die schulinterne Diagnostik integriert), Literatur gelesen und sich fortgebildet.
Zurück zum Homeschooling, morgens beim Einloggen merkt man sofort – das System ist langsamer als sonst – viele Kollegen sitzen am Schreibtisch und sind dabei, für alle Betroffenen das Beste aus der Situation zu machen. Und wer weiß- Wieviel neue Kompetenzen und Zugangswege zu Bildung haben die Schüler in dieser Zeit gelernt und können sie auch in der Zukunft nutzen? Es lässt sich feststellen, alles ist anders! Doch selbst in diesen ungewöhnlichen Zeiten finden Kolleginnen und Kollegen der Abteilung GENT Möglichkeiten Schüler und Eltern zu unterstützen und Unterricht anzubieten.
(Petra Leuthold)