Blick von der Bungalowiese zum Schloss im Maerz

Bei Wind und Wetter auf dem Pferd

Das letzte Wochenende vor Sommerferienbeginn verbrachten sieben blinde und sehbehinderte Schülerinnen und Schüler wieder mit sehenden Kindern und Jugendlichen gemeinsam – und hatten dabei nicht nur beim Reiten jede Menge Spaß … Am Freitagmittag wurden wir mit drei Autos zum Leimener Gemeindehaus gefahren. Eigentlich sollte es dort eine Anfangsrunde geben, allerdings kamen wir überhaupt nicht dazu: Zuerst war der eigentlich für das Treffen bestimmte Raum belegt, sodass wir erstmal in einen anderen Raum umziehen mussten, dann dauerte es so lange, bis alle da waren – und als dann alle da waren, mussten wir uns schon auf den Weg zum Birkenhof nach Dossenheim machen. Dort angekommen, lernten wir die Pferde kennen, indem wir sie von der Weide führten und putzten, und holten unsere Anfangsrunde nach. Später kam Herr Groß, der Pfarrer der Leimener Gemeinde, zu Besuch, um mit uns gemeinsam den kommenden Gottesdienst zu gestalten. Da wurde eifrig diskutiert – über den Umgang mit Blinden und Sehbehinderten, über den Krieg in anderen Ländern, über Gewalt und Kriminalität, darüber, dass man jeden Menschen so akzeptieren soll, wie er ist – und es gab noch viel, viel mehr. Außer dem wirklich sehr interessanten Gespräch überlegten wir uns in kleinen Gruppen Fürbitten und planten alles Weitere.

Nun war es schon 18.00 Uhr und wir fuhren in unsere Nachtquartiere. Jedes der Schloss-Schul-Kinder war einem Leimener Kind zugeteilt, bei dem es für dieses Wochenende lebte. Der/die Blinde oder Sehbehinderte wurde also für dieses Wochenende in den Familienalltag einintegriert, dafür lernten die Sehenden die „Blindenwelt“ besser kennen. So backte Vivien mit ihrer Gastfamilie selber Pizza, Christina wurde auf ein Fest mitgenommen, Serena bekam von ihrer sehenden Partnerin das Dorf gezeigt – die Kinder aus Leimen hatten viel Spaß bei der Arbeit mit Blinden und Sehbehinderten und teilweise entstanden schon richtige Freundschaften.

Am Samstag mussten wir bereits um 10.00 Uhr auf dem Reiterhof sein. Dort wurden wir in zwei Gruppen eingeteilt, die einen gingen filzen, die anderen ausreiten. Später wurde dann gewechselt. Beim Filzen suchte sich zunächst jeder eine Farbe aus, in der er dann ein Stück Schafwolle bekam. Dieses wurde dann mit Wasser nass gemacht und mit Seife eingerieben, dann wurde es ganz leicht hin und her gerubbelt, so wurde es schön fest und konnte weiter verarbeitet werden. Später durften wir auch richtig darüber reiben und schlussentlich in die Hand nehmen, dann hatte man ein mehr oder weniger rundes Stück Filz vor sich liegen. Dies machte man noch mit einem weiteren, im Idealfall andersfarbigen Stück, und zum Schluss wurden die beiden Stücke zusammengefügt. So war innerhalb einer Stunde aus einem einfachen Stück Schafwolle eine bunte Blume entstanden.

Beim Ausreiten ging es wilder zu, obwohl wir nur im Schritt geritten sind und zusätzlich von Helfern des Hofes geführt wurden: Die erste Gruppe wurde von einem Regenschauer überrascht und kam klitschnass zurück und bei der zweiten Gruppe stürmte es so stark (und das auch noch bei Gegenwind), dass eine Reiterin fast vom Pferd gefallen wäre … Trotzdem war es ein sehr schöner Ausritt und es ist bemerkenswert, wie ruhig Pferde und Kinder trotz der etwas gewöhnungsbedürftigen Wetterumstände geblieben sind.

Nun hatten alle Hunger und so war es ganz gut, dass das Essen bald fertig war. Da es draußen immer noch stürmte, trugen wir die vorbereiteten Tische in die Stallgasse, schlossen Türen und Fenster und konnten so ein windstilles Mittagessen genießen. Es gab vegetarischen Gemüseeintopf, der sehr lecker schmeckte. Manches Gemüse kam sogar aus dem eigenen Hofgarten! Anschließend wurde eine lange Mittagspause eingelegt, bei der auf der Wiese und in der Reithalle herumgetobt wurde, es bestand aber auch die Möglichkeit, in der Heubox den Pferdegeschichten zu lauschen, die Paula vorlas oder ein Pferdequiz zu machen.

Beim Nachmittagsprogramm war alles etwas chaotisch, da es plötzlich zu gewittern anfing und alle entweder in Reithalle oder Stallgasse flüchteten. Gott sei Dank war es schnell wieder vorbei und wir konnten doch auf dem Reitplatz arbeiten. Diesmal liefen die Pferde an der Longe, sodass wir auch mal traben oder galoppieren konnten.

Am Abend grillten wir dann noch gemeinsam. Hierzu waren auch Eltern, Geschwister, Freunde und sonstige Bekannte und Verwandte der Leimener Kinder eingeladen. Jede Familie hatte etwas zu Essen mitgebracht, sodass es neben Steaks, Würstchen und Schafskäse auch ein reichliches Salatbuffet gab. Da auch einige Hunde den Weg zum Birkenhof gefunden hatten, fanden sich gerade nach dem Essen kleine Gruppen zusammen, die sie streichelten, mit ihnen spielten oder ein wenig mit ihnen auf dem Hof herumliefen. Eines der Kinder brachte einem Hund sogar bei, über die ganz niedrigen Pferde-Hindernisse auf dem Reitplatz zu springen, über die die Pferde mühelos drüber steigen. Zusätzlich gab es in der Reithalle ein kleines Lagerfeuer, an dem man Marshmallows und Stockbrot zubereiten konnte. Gegen halb neun löste sich die Gruppe auf und die Ilvesheimer Gäste fuhren wieder zum Haus der sehenden Kinder.

Am Sonntagmorgen trafen wir uns wieder um 10.00 Uhr, diesmal aber nicht auf dem Hof, sondern auf dem Vorplatz des Leimener Alten- und Pflegeheimes. Hier fand der Gottesdienst statt, den wir am Freitag zusammen vorbereitet hatten. Kerstin übernahm die Lesung, sie hatte gleich nach dem Anfangslied ihren Auftritt. Der Text handelte von dem Friedensreich, das Gott den Menschen versprochen hat. In diesem Reich sollte es keinen Krieg geben, keiner würde mehr die Kriegskunst erlernen, alle Waffen würden zu Mädräschern, Sicheln und anderen Gerätschaften für die Arbeit auf den Feldern umgeschmiedet, damit es genug zu Essen für alle gibt und keiner mehr hungern müsste. Ja, so wünschen wir uns die Welt, das verdeutlichte auch der Pfarrer in seiner Predigt. Er erzählte eifrig und anschaulich vom Inhalt unserer langen, ausführlichen Diskussion, davon, wie Blinde und Sehende auf dieser Freizeit zusammen arbeiten und spaß haben und davon, dass jeder einzigartig ist und auch als solcher Mensch akzeptiert werden soll. Im Anschluss daran wurden die Fürbitten vor Gott und die Gemeinde gebracht, die ebenfalls von einigen Freizeitteilnehmern gesprochen wurden.

Nach Ende des Gottesdienstes gingen wir gemeinsam zum Gemeindehaus, wo wir zunächst spielten und anschließend zu Mittag (Spätzle mit Putengeschnätzeltem und Salat) aßen. Anschließend hatten wir nochmal Pause, die einige damit verbrachten, sich umzuziehen, während andere wiederum im Gemeindesaal herumtobten oder Klavier spielten.

Nun fuhren wir wieder auf den Reiterhof und heute durften wir uns wünschen, was wir machen wollten. Schlussentlich ging eine Gruppe ausreiten und die andere voltigieren. Die Ausrittgruppe ritt wieder die selbe Strecke wie am Vortag, nur mit dem Unterschied, dass es diesmal weder regnete noch stürmte. Die Voltigiergruppe ritt an der Longe, trabte, galoppierte und machte kleine Übungen wie z.B. rückwärts reiten, auf dem Pferd knien, die Mühle oder die Fahne. Bei der Mühle dreht man sich wie ein Mühlenrad auf dem Pferderücken, und bei der Fahne kniet man ebenfalls, streckt aber zusätzlich z.B. das rechte Bein und den linken Arm (es geht auch umgekehrt) von sich weg. Später durften die Mitglieder dieser Gruppe noch frei reiten, das heißt, ohne Longe und mit Zügeln. So konnte man erfahren, wie es ist, allein und unabhängig die Oberhand über das Pferd zu haben. Später halfen wir alle bei der sonstigen Arbeit auf dem Hof – da wurden die Futterkammer erkundet, Karotten in die Pferdeboxen gelegt, Wasser in den Wasserkanistern auf der Weide nachgefüllt, Ställe ausgemistet usw.

Bevor wir in unsere Gastfamilien zurückkehrten, machten wir noch eine Abschlussrunde, bei der jeder sagen sollte, wie ihm das Wochenende gefallen hat und was man verbessern bzw. ändern könnte. Am nächsten Morgen wurden wir dann von unseren Gastfamilien zu Familie Gschwind, die die Reiterfreizeit auch dieses Jahr wieder organisierte, gebracht, um von dort aus gegen 09.30 Uhr in die Schule zu fahren. Es hat uns allen sehr viel Spaß gemacht und wir kommen gerne wieder – vielen Dank an alle Helferinnen und Helfer des Birkenhofes, an Familie Gschwind und an alle Gastfamilien, die zum Gelingen dieser Freizeit beigetragen haben!

(Kerstin Peters)

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